Ein halbes Jahr ohne eigenes Auto

Drei - zwei - eins. Für heute bist du meins. Ein Stadtrad
Drei - zwei - eins. Für heute bist du meins. Ein Stadtrad

Ein halbes Jahr bin ich jetzt ohne eigenes Auto in der Stadt unterwegs.

Das hat meine urbale Mobilität verändert.

Und auch die Beweglichkeit außerhalb der Stadt.

Ob es mir gefällt?

Hier ist mein Erfahrungsbericht.


Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es normal war, ein Auto zu haben. Seit meinem achtzehnten Lebensjahr bin ich auto-mobil und habe mehrere Fahrzeuge gehabt.

Es nicht mehr zu haben, war für mich lange Jahre völlig unvorstellbar.

Doch durch meine Wanderungen habe ich erfahren, wie viel Lärm unsere Autos in den Städten und auf dem Land produzieren. Wie viel Platz sie einnehmen, wie Straßen und Autobahnen die Natur durchschneiden. Das in den Städten mehr gestanden als gefahren wird.

So wurde mir die Nachteile der Autos immer bewußter. Gleichzeitig wuchs mein schlechtes Gewissen, ich fuhr immer mehr mit dem Fahrrad und ließ mein Auto immer öfter stehen. Allmählich reifte die Entscheidung, das Auto ganz abzuschaffen.

Seit sechs Monaten habe ich kein Auto mehr.

Wie kam ich seitdem zurecht?

Auf den Punkt gebracht: ganz gut.

 

Anstelle meines Autos habe ich mir ein schönes, neues und sehr modernes Fahrrad gekauft. Es wiegt keine zehn Kilo und ist auf das Wesentliche reduziert, damit ich es in meiner Wohnung halten kann. Mit dem Rad bin ich über die Sommer- und Herbstmonate die zwölf Kilometer zur Arbeit hin und zurück geradelt. Auch viele andere Fahrten in der Stadt Hamburg absolvierte ich fortan mit dem Rad. Ich schätze, ich bin in der Zeit etwa 2.000km geradelt und habe ca. 400kg CO2 eingespart. Für diese Menge CO2 benötigt ein Baum 40 Jahre Wachstum, um das schädliche Gas in Stamm, Ästen und Blättern zu binden oder wieder als Sauerstoff abzugegeben. Ich habe auch jede Menge Lärm eingespart und auch etwa 1.000€.

 

Im Dezember hatte mein Fahrrad seinen ersten Platten. Ich musste lernen, dass mein Fahrrad mit seinen leichten Reifen nicht wirklich wintertauglich ist. Ein kleines Stück Split hatte den Mantel durchdrungen. So lasse ich das Rad jetzt Winterschlaf halten und nutze andere mobile Möglichkeiten, die eine Großstadt bietet.

Welche sind es?

HVV

Da ich recht zentral wohne, ist die Nutzung des Hamburger Verkehrs Verbunds (HVV) für mich praktisch. Die hochfrequentierte Buslinie 6 fährt wochentags alle drei Minuten und auch am Wochenende ausreichend oft. Was manchmal nervt, ist die Enge im Bus oder U-Bahn, wenn's mal wieder richtig voll ist. Und das ist oft der Fall. Hat man kein Wochen- oder Monatsticket, ist die Nutzung nicht gerade preiswert.

Für die sechs Kilometer zur Arbeit muss ich ein normales Ticket für 3,20€ kaufen, hin und zurück summiert sich also auf 6,40€. Das entspricht 0,53€/Kilometer und ist damit genau so teuer wie mein Auto bei Vollkosten. Keine Ahnung, wie viel CO2 ich netto einspare, Lärmemissionen auf alle Fälle. Aber der Weg zur Arbeit ist so fast eine Stunde lang.

Praktisch ist die HVV-App, denn so kann ich mein Ticket schon vorab online und bargeldlos buchen. Das Vorhalten von Kleingeld hat endlich ein Ende!

HVV nutze ich meist nur bei schlechtem Wetter.

Car Sharing

Da ich als letztes einen Smart fuhr, haben es die kleinen weiß-blauen Smarts von Car2Go angetan. Ich habe mir einen Account besorgt und nutze den Dienst regelmäßig, jedoch nicht, um damit regelmäßig zur Arbeit zu fahren. Denn 1. wäre das ja nicht besser als mit dem eigenen Smart zu fahren, 2. käme es viel zu teuer (5€ /Fahrt = 0,80€/km) und 3. finde ich morgens kein Car2Go in meiner Nähe. Wenn ich morgens um neun Uhr fahren möchte, stehen die meisten Leihfahrzeuge schon lange in der Innenstadt herum.

Meistens nutze ich ein Car2Go am Wochenende oder für ein Teilstück auf dem Weg zur Arbeit, wenn mal eines auf dem Weg parkt.

DB

ich habe eine Bahncard 25 und damit sind die Preise der Deutschen Bahn (DB) erträglich.

Meist nutze ich dieses Mobilitätsangebot, um meine Mutter in der holsteinischen Schweiz zu besuchen. Ich brauche ca. 30 Minuten länger als mit dem Auto, werde aber sehr entspannt zum Ziel gebracht. Die Zugverbindung verkehrt stündlich, werktags sogar alle 30 Minuten. Die Bahn fährt nach eigenem Bekunden mit 100% Ökostrom, leider ist die Hälfte der Strecke nicht elektrifiziert. CO2 spare ich sicher ein und die Lärmemmission ist wohl auch deutlich geringer.

Die Kosten liegen mit 13ct/km recht günstig.

Um meine Wanderziele zu erreichen, benutze ich regelmäßig die Bahn. Für weit entfernte Ziele sind oft sehr günstige Spartickets zu ergattern, wenn ich mich früh genug darum kümmere.

Die Bahn nutze ich also immer, wenn es raus aus der Stadt geht.

Stadtrad

Die Vorteile des Stadtrades habe ich erst so richtig kennen gelernt, als mein eigenes Rad einen Platten bekam.

Nun nutze ich es im Winter regelmäßig.

Mein Weg zur Arbeit besteht jetzt zunächst aus einem mehr oder weniger langen Spaziergang, dann benutze ich ein Stadtrad und am Ende gehe ich noch ein Stück.

Die Nutzung von Stadträdern ist eine halbe Stunde lang kostenfrei und bisher habe ich kein Rad länger nutzen müssen.

Ob es ein Stadtrad an einer gewünschten Station gibt, ist nicht genau vorhersehbar. An einem Tag stehen mehrere Räder dort, am nächsten Tag gibt es kein einziges. Dann gehe ich ein Stück weiter und versuche die nächste Station, die nicht sehr weit entfernt ist. An manchen Tagen zur Arbeit wurde daraus allerdings ein Spaziergang über die ganze Distanz, weil alle am Weg liegenden Stationen ohne entleihfägige Räder waren.

Aber was macht das schon?

Ich bin sehr froh, dass Hamburg dieses Mobilitätsangebot hat. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so oft darauf zurück greife.

Nebeneffekt

Seit ich kein Auto mehr habe, bewege ich mich viel mehr an der frischen Luft. Erkältungen habe ich keine mehr, auch fühle ich mich fitter und anderen Sport brauche ich fast gar nicht mehr. Dadurch bekomme ich die Zeit zurück, die ich auf meinem Arbeitsweg länger brauche als mit dem Auto. By the way: der Weg zur Arbeit mit dem eigenen Rad dauert genau so lange wie mit dem Auto!